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Dienstag, 16. Mai 2017



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Interview: Wie Drogen ihr Leben verändert haben

 ,, Zwischen Longpapes, Extasy und Co. ‘‘


Ich war vor ein paar Tagen mit einer Freundin unterwegs und habe ein bisschen über dieses und jenes gequatscht, doch als wir auf das Thema Drogen gekommen sind, habe ich sie gefragt ob sie sich auch mal für den Blog öffnen will, um zu zeigen was Drogen alles so mit dir machen können. Da Drogen momentan ein so aktuelles Thema sind, finde ich es cool dass es geklappt hat. Sie möchte Anonym bleiben, deshalb heißt sie hier Lady X. Sie ist um die zwanzig, mag Techno und ist mittlerweile auf einem guten Weg.

Erzähl doch mal, wie hat das damals mit den Drogen angefangen?
Also das erste Mal war das mit 14 auf einer Party. Alle haben da Bong geraucht, aber das war einer Freundin und mir zu hart und wir haben uns dann ne Kippe mit Gras gestopft und waren nach der Zigarette direkt richtig high. Ich war auch immer dafür offen und war auch nie abgeneigt von Drogen. Mit 16 Jahren bin ich damals dann mit meinem damaligen Freund zusammen gekommen. Er war auch ein Kiffer. Beim ersten Date fragte er mich ,, Lass uns mal einen paffen.‘‘ und nein sagen konnte ich nicht. Dadurch, dass wir dann zusammen waren war das kein Problem mehr mit dem Kiffen. Er hatte damals getickt und dadurch, dass er am Ticken war, hatten wir auch immer was da zum Rauchen. Manchmal bin ich zum ‘einkaufen‘ mitgekommen, meist habe ich aber immer draußen gewartet. Immer wenn wir uns getroffen haben hat er erst seine Geschäfte gemacht, so dass wir was zum Rauchen hatten und dann erst haben wir uns getroffen.
Irgendwann habe ich dann auch alleine gekifft, ich meine er hat mir ja auch immer was dagelassen mit den Worten ,,Hier dann schläfst du besser‘‘ oder ,,Falls du noch Lust hast‘‘. Irgendwann konnte ich ohne vorher was zu nehmen auch nicht mehr einschlafen und habe dann immer mehr gekifft. Ich habe dann auch selber was gekauft. Der letzte Ausweg zum Gras kaufen, war dann mein Ex.

Würdest du behaupten, er habe Schuld an deinem Drogenkonsum?
Also definitiv. Hätte ich ihn nicht gekannt, wäre es zu 100% nicht dazu gekommen. Also nicht unbedingt was Drogen allgemein angeht, aber nicht in dem Ausmaß.  Mit ihm habe ich mich halt auch irgendwann an andere Dinge getraut und wir haben dann das erste Mal Speed gezogen und Energy One und Pilze konsumiert.

Also Pilze finde ich dann schon echt krass, erzähl doch mal von deinem ersten Trip auf Pilzen und wie es dazu kam.
Also damals war ich 17 und bin mit ein paar Freunden nach Enschede gefahren. Wir hatten damals einen safen Fahrer, also jemanden der nichts nimmt, dass er noch Fahren kann. Wir haben uns dann in einem Shop Magic Trüffel und Gras gekauft und zwischendurch immer einen gebufft. Die Pilze die isst man einfach. Die schmecken ähnlich wie Nüsse. Nach einer halben Stunde hat dann die Wirkung direkt eingesetzt und richtig  reingeknallt. Die Lichter sahen so mega krank aus. Alles hat sich einfach verzogen und bewegt. Alles war bunt. Also so ein typischer Trip wie man sich das halt so vorstellt, obwohl wir noch die schwächste Sorte an Pilzen hatten.
Irgendwann sind wir dann zu Mecces gegangen. Ein Kumpel von mir wurde da dann ganz blass und ich bekam Panik. Sobald man irgendwie Zucker zu sich nimmt ist der Trip vorbei. In meiner Aufregung bin ich direkt zur Kasse gesprintet und habe für ihn eine Cola gekauft. Die Cola kam aber zu spät. Mein Kumpel hatte sich komplett vollgekotzt und eingenässt. Mit dem Zustand mussten wir ihn halt direkt nach Hause fahren. Es war schon dunkel geworden und wir saßen in einem viel zu engen Auto auf der Autobahn in Richtung Heimat.
Ich hatte viel zu viel Energie in mir. Ich bekam Panik in dem engen Auto. Das war der Moment für mich, in dem ich beschlossen hatte nie wieder Pilze zu nehmen.
Ich bekam irgendwann richtige Halluzinationen. Ich hatte die Vorstellung, dass sich die Haut von meinem Gesicht abzieht. Ich habe das richtig gespürt, wie ich mir die Haut vom Gesicht gezogen habe und konnte die Hautfetzen in meiner Hand auch richtig sehen. Alle anderen aber nicht. Alle meinten zu mir ,, Ey Lady X, komm mal runter da ist nichts.‘‘ Ich wollte und konnte das aber nicht glauben. Ich hab’s erst geglaubt, als es mir mein damaliger Freund bestätigte. Unser Zustand hat ungefähr 5 Stunden angedauert. Durchs Kiffen haben wir uns dann wieder runtergebracht.

Du hast ja grade schon eher nen Badtrip beschrieben, was war denn dein bester Trip?
Auf meinem Abiball habe ich das erste Mal gekokst. Das war schon ziemlich geil. Ich habe extra bis 1 Uhr gewartet bis meine Eltern weg waren. Ein Kumpel von mir hatte das Zeug mit. Wir haben uns dann in sein Auto gesetzt und uns das Zeug reingezogen. Als ich dann zurück auf den Ball kam, dachte ich schon ich wäre die Geilste im Raum und das alle hinter mir stehen würden. Ich fühlte mich unbesiegbar. Ich hatte vorher richtig viel getrunken, war aber schlagartig nüchtern. Ich hatte davon damals keinem was gesagt und es hat auch keiner was gemerkt. Der Rausch geht halt schnell wieder vorbei und danach bist du dann auch direkt abgefuckt.
Eine Line am Abend reicht da nicht. Koks ist der Teufel und verfolgt dich.
Und macht halt auch einfach krass abhängig, weil du von diesem Gefühl einfach immer mehr willst. Du hast in diesem Moment einfach keine Sorgen mehr. Aus diesem Grund habe ich an dem Abend mehrere Lines gezogen und war bis 12 Uhr mittags hellwach, in meinem Abiballkleid und  voll drauf.

Was war für dich der Grund Drogen zu nehmen, warum hast du nicht aufgehört, bevor es zu spät war?
Ich habe damit halt alles unterdrücken können. Wenn ich traurig war habe ich gekifft und konnte das damit einfach gut unterdrücken. Die Zeit ging viel schneller um wenn ich drauf war. Ich bin wirklich durchgedreht ohne das Kiffen. Ich habe dann wirklich geheult. Ich konnte irgendwie nicht ohne. Wenn ich keine Drogen genommen habe, habe ich mich richtig krank gefühlt, fast schon wie eine Grippe. Dadurch wurden Drogen dann irgendwann meine Medizin zum Wohlsein. Ich habe dann manchmal Antidepressivum genommen, wenn ich kein Gras hatte. Eine Freundin von mir brauchte das nicht mehr und als wir beide an nichts drankamen, schlug sie vor, dass man die ja als Ausgleich nehmen könnte. Durch die Tabletten bin ich damals direkt eingepennt. Das kam aber wenn’s hochkommt auch nur 5-mal vor. Wir hatten das ja immer nur genommen, wenn wir absolut an nichts drankamen und ich hatte halt eigentlich immer was. Ich saß damals den ganzen Tag an meinem Handy und habe versucht was zu klären egal wie weit ich dafür fahren musste.

Wie hat sich das alles auf deine Persönlichkeit ausgewirkt?
Ich hatte nach einer längeren Zeit auch wirklich Suizidgedanken. Irgendwann bin ich dann nach England für ein Au Pair – Jahr  gegangen. Ich brauchte halt Abstand. Ich habe von heute auf morgen direkt mit allem aufgehört und so gesehen einen
Kalten Entzug gemacht. Neues Land, andere Kultur, neue Leute. Ich habe nach einer Weile die ich dort war dann Panikattacken, Angststörungen und Schlafstörungen entwickelt. Zu dem damaligen Zeitpunkt wusste ich gar nicht was mit mir los war. Ich war dann in London und konnte einfach nicht aus dem Haus gehen, obwohl ich ja dort war um was zu erleben. Vier Tage nach diesem Erlebnis fing dann mein Job als Au Pair an.
Als ich die Kinder dann mit dem Auto rumfahren musste ging das gar nicht klar. Ich war halt mega angespannt und das auch allein schon, wenn ich mit den Kindern nur allein war.
Irgendwann dachte ich mir ich hätte einen Hirntumor und wirklich Krebs, weil ich mir meinen Zustand nicht anders erklären konnte und nicht wusste wie so etwas entstehen kann. Bis mir dann klar war, dass es am Entzug lag.
Ich kompensierte dann die Drogen durch viel Essen. Hauptsache es war viel Zucker drin und am Wochenende fing ich an Alkohol zu trinken.

Hat dir manchmal der Halt gefehlt oder gab es Momente, in denen du schwach geworden bist?
An meinem Geburtstag bin ich schwach geworden. Ein Kumpel von mir, der auch in England war, meinte lass mal heute Abend feiern, er hätte auch eine Überraschung für mich. Seine Überraschung war halt pures MDMA. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt auch echt keine Ahnung von dem Zeug, aber ich meinte direkt dass ich dabei bin. War halt ein Scheißtag für mich. Ich war alleine in einem fremden Land an meinem Geburtstag ohne die Familie und Freunde. Das war für mich auch der glücklichste Moment in England. Ich bereue das auf keinen Fall.
Danach habe ich in England nichts mehr genommen. Bis auf die Schlaf- und Angststörungen ging es mir körperlich auch richtig gut nach einer Weile. Ich konnte noch viel Reisen. Das hat mir damals richtig gut getan. Ich war weg von dieser Traumwelt in der man lebt, wenn man immer Drogen nimmt. Ich konnte mal wirklich alles um mich herum wahrnehmen.

Wie ging es nach England dann weiter?
Ich bin dann nach Hause gekommen und habe meine Familie kurz begrüßt und bekam halt nen Anruf von einer Freundin ,, Hey Lady X, lass uns mal treffen, ein bisschen quatschen und dabei einen buffen.‘‘ Ich konnte einfach nicht nein sagen.
Dadurch war ich wieder voll drin. Nicht unbedingt kiffen, aber dann halt anderes. Nen paar Wochen danach war ne Technoparty und ich habe dort Alkohol getrunken und Speed genommen. Ab da war ich dann jedes Wochenende auf Drogen und habe durchgefeiert. Irgendwann habe ich dann auch Extasy geschmissen und als mich dann Speed abfuckte, fing ich an zu Koksen.

Also begann alles von neu? Wie hast du deinen Weg daraus gefunden?
Ich bin zu einem Arzt gegangen und habe ihm von meinen komischen Gedanken und all dem anderen erzählt. Der schrieb mich dann auf eine Warteliste für eine Verhaltenstherapie. Nach 4 Monaten kam ich dann dran. Da musste ich dann alles offen auf den Tisch knallen. Auf die Frage wie oft ich denn kokste, antwortete ich mit höchstens einmal im Monat, obwohl es jedes Wochenende war. Wenn ich mich entschied eine Therapie zu machen, müsste ich direkt aufhören war zu nehmen, so der Therapeut zu mir.
Die ersten fünf Wochen habe ich trotzdem weitergemacht und so gesehen den Therapeuten belogen. Ich hatte für mich selbst ein Datum, von einer Technoparty auf der ich das letzte Mal was nehmen wollte, beschlossen. Seitdem habe ich auch nichts mehr genommen.
Das schlimme an der Therapie war, dass ich mich zuerst selbst belogen hatte. Ich habe mich schlichtweg vor meiner Persönlichkeit geekelt. Ich fand meinen Charakter einfach nicht mehr schön und habe mich aus diesem Grund auch geritzt. Geritzt habe ich mich, um mich selbst zu bestrafen.
Der Zeitpunkt in dem Ich für mich beschlossen hatte ,, Ich nehme nichts mehr‘‘ , da saß ich im Auto. In diesem Moment dachte ich, ich müsste sterben. Ich dachte die ganze Zeit daran, was ich ohne die Drogen denn noch machen soll und dachte, dass ich nichts mehr hätte. Ich musste ein Stück von mir gehen lassen.
Die erste Zeit mied ich die Technoszene komplett und die Leute auch. Wenn sich jemand was geballert hat in meiner Anwesenheit, war ich richtig sauer und habe auch den Raum direkt verlassen, weil jeder eigentlich wusste, dass ich das nicht mehr will. Ich fühlte mich alleine und von den anderen Ausgeschlossen.

Erzähl mal, wie geht es dir jetzt?
Ich bin mittlerweile richtig stolz auf mich. Mir geht es richtig gut. Ich stehe mehr im Leben als je zuvor. Klar würde ich gerne zwischendurch was nehmen, aber ich habe eingesehen, dass es richtig cool ist auch nein sagen zu können. Das zeigt mir wie stark ich geworden bin und das mein Charakter Durchhaltevermögen hat.

Willst du den Lesern noch was sagen bzw. mitgeben?
Also erstmal allgemein sind Drogen an und für sich eine geile Sache. Es sind viele coole Erfahrungen, die man mit Drogen machen kann, grade was Extasy und Kiffen angeht. Du siehst die Welt dann mit anderen Augen, aber es ist wichtig, dass man sich dann auch immer selbst sagen kann, dass das nicht die Realität ist.
Je höher du fliegst, desto tiefer fällst du.
Wartet auf jeden Fall mit allem, bis ihr wirklich ein  Alter erreicht habt, wo ihr das alles für euch selbst verantworten könnt. Nehmt Drogen niemals als Ausweg. Ich selbst weiß, dass es dadurch einem auf Dauer nicht besser geht. Es sollte auch klar sein, ob du auch mit den Leuten befreundet wärst, wenn du nichts nehmen würdest. Was noch viel wichtiger ist, ob die Leute dich auch akzeptieren, ohne irgendeinen Konsum von Drogen.
Ich bin jetzt seit 3 ½ Monaten clean und muss sagen, dass es mir wirklich viel besser geht!

Danke Lady X, dass du dich so geöffnet hast.