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Sonntag, 23. April 2017


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Interview: Lara erzählt über den Tag und die Zeit danach, an dem ihr Papa starb

,, Wie man sein Leben erlebt, wenn der Vater verstorben ist ‘‘

Ich kenne Lara nun seitdem ich noch ganz klein war. Vom Kindergarten halt. Ich kenne auch Laras Familie mittlerweile sehr gut. Ich kenne aber auch noch Laras Vater aus Zeiten vor dem Unfall. Ich kenne ihn aus Zeiten in denen er noch gelebt hat. Der Tod von Laras Vater halt viel in der Familie und im Leben miteinander verändert, dennoch lebt es sich fröhlich mit all denen, die geblieben sind. Lara versucht in dem Interview die Vergangenheit vielleicht ein kleines Stück nochmal hervorzubringen um darüber zu sprechen, was genau ihr Leben verändert hat

Wie hast du den Todestag deines Papas erlebt?
An dem Tag war ich in Hiddenhausen beim Reiten und wenn ich mit dem Reiten fertig war, sollte ich meine Mama immer anrufen, dass sie mich abholt. Am Telefon hat sie mir gesagt, dass mich Andrea, eine Freundin von ihr, abholt. Das fand ich schon komisch. Aber auf die Antwort warum sie mich nicht selbst abholt, kam ,,Andrea holt dich jetzt ab‘‘. Als wir dann im Auto saßen und zu Hause ankamen, standen überall Autos. Ich dachte erst ich hätte irgendeinen Geburtstag vergessen. Aber danach habe ich mir direkt Gedanken darüber gemacht, was sonst hätte passiert sein können. Als ich dann zu Hause reingekommen bin, kamen meine Mama und meine Patentante auch schon auf mich zu und meinten, dass sie mit mir nach oben gehen wollen um was zu bereden. Auf dem Weg nach oben habe ich sie schon damit gelöchert was denn los sei. Dann habe ich einfach auf dem Weg gefragt ,, Ist Papa gestorben? ‘‘. Da mussten beide direkt weinen. Wir haben uns aufs Bett gesetzt und da haben sie mir versucht das beizubringen, was ich schon vermutet hatte.
Nachdem wir dann mit dem Gespräch fertig waren, musste ich mich noch umziehen, weil ich ja noch meine Reitsachen anhatte. Wir sind runtergegangen und da waren dann auch schon alle aus der Familie da und haben geredet. Über was weiß ich aber nicht mehr.

Also hattest du so eine Art Tunnelblick?
Ja so ungefähr, ich habe mich selbst wahrgenommen. Alles um mich herum habe ich nicht mehr bemerkt.

In welchen Situationen fällt dir der Tod deines Papas heute noch schwer?
Wenn andere über ihren Papa reden und zum Beispiel darüber erzählen was die so zusammen machen. Auf Familienfeiern geht es mir ähnlich. Das hat auch überhaupt nichts mit Neid zu tun, ich bin dann immer nur so sauer, dass es ausgerechnet mein Papa ist der sterben musste. Aber was mich am meisten stört ist, wenn Leute über den Tod alles wissen und immer einen auf rücksichtsvoll machen wollen und meinen mich fragen zu müssen, ob es ok sei darüber zu reden. Ganz im Gegenteil. Ich spreche gerne über meinen Papa und wenn mich jemand danach fragt, wie mein Papa so war, dann bin ich immer ganz stolz, wenn ich nochmal Sachen erzählen darf.
Auf der anderen Seite fällt es mir aber auch schwer zu erleben, wie Leute dann auf meine Geschichten reagieren oder allgemein darauf reagieren, dass ich nur noch ein Elternteil habe. Ein ,,Oh...‘‘ ist da für mich keine richtige Reaktion. In den Köpfen von Vielen ist es schwer zu akzeptieren, dass es auch Familien gibt, wo das perfekte Bild von  ,,Mutter, Vater, Kind‘‘ nicht mehr vorhanden ist und es trotzdem klappt.

Glaubst du, dass du heute anders wärst, wenn dein Papa noch da wäre?
Ja definitiv. Ich hätte dann einfach noch eine väterliche Person, halt so einen Beschützer bei mir. Man fühlt sich vom Papa meist mehr beschützt als von der Mama. Zum Beispiel als meine Mama und ich in London waren, als ich noch kleiner war, sind wir als es dunkel war nicht mehr rausgegangen. Ich glaube, wäre mein Papa noch da gewesen, wäre das vielleicht anders abgelaufen. Es macht einfach einen Unterschied, ob man von beiden seiner Eltern erzogen wurde oder nur von einem. Ich glaube mir wäre einfach viel mehr verboten worden, wenn Papa noch hier wäre.

Gibt es Teile in deiner Kindheit die du vermisst, weil andere Kinder anders groß geworden sind?
Ja, das Papa viele Sachen nicht miterlebt hat. Ob es meine Einschulung auf der weiterführenden Schule war, der erste Freund oder mein Schulabschluss. Das sind Sachen die ich gerne mit meinem Papa geteilt hätte. Das vermisse ich. Ich habe dann halt alles andere nur mit Mama gemacht. Es gibt ja auch keine Sachen, die man mit ihr nicht machen kann. Ob es darum geht schwimmen zu fahren oder in den Urlaub zu fliegen, mit Mama geht das genauso gut.

Verhalten sich andere Leute dir oftmals anders gegenüber, weil du nur noch ein Elternteil hast?
Ja, ich habe das ja eben schon einmal angerissen. Von meinen engen Freunden auf keinen Fall wer. Eher passiert sowas vor Leuten, die ich noch nicht so gut kenne. Ich merke das daran, dass diese Personen in manchen Situationen immer besonders lieb sein wollen und mir heute noch das Beileid aussprechen und sehr viel Rücksicht nehmen möchten. Ich sage dann einfach immer, dass es ok ist. Bei Beileidsaussprüchen bedanke ich mich und denke mir meinen Teil dabei.

Du meintest ja eben schon, dass dich manche Sachen stören, aber in welchen Situationen warst du so richtig wütend, wenn es um deinen Papa ging?
Als eine Freundin damals meinte, dass sie alles besser wüsste. Sie meinte Sachen zu mir wie: ,, Es bringt dir eh nichts zur Beerdigung zu gehen, weil wenn man eingeäschert wird, gibt es sowieso kein richtiges Grab. ‘‘ . Darüber bin ich bis heute noch fassungslos. Ich war damals richtig sauer und musste weinen. Nicht weil ich es geglaubt habe, sondern weil ich nicht begreifen konnte, wie mir jemand so etwas sagen konnte. Das hat mich schon ziemlich verletzt. Über mich selbst bin ich aber auch wütend. Ich habe damals versucht alles mit mir selbst auszumachen um das zu verarbeiten. Ich wollte niemanden damit belasten. Mit der Erfahrung von heute, hätte ich damals mehr mit anderen darüber reden sollen.

Was war nach dem Tod deines Vaters die größte Enttäuschung für dich?
Auf längere Sicht gesehen finde ich es schade, dass sich der Kontakt mit der Familie von der Seite meines Papas so verlaufen hat. Wahrscheinlich aus dem Grund, dass ich jemanden zu viel an  meinen Papa erinnern könnte.

Gibt es auch Situationen über die du dankbar bist?
Ich bin über die Unterstützung meiner Familie zu dem damaligen Zeitpunkt dankbar. Natürlich auch über die meiner Freunde. Ich weiß nicht ob ich es hätte ertragen können meinen Papa mit schwerer Behinderung zu sehen oder ihn sein ganzes Leben schwerkrank im Rollstuhl rumzufahren. Ich glaube auch nicht, dass er das gewollt hätte. Auf der anderen Seite, wäre es schon schön ihn immer noch bei mir zu haben.

Willst du den Lesern vielleicht noch etwas mitgeben?
Wenn es jemanden gibt, der das auch erlebt hat, würde es mich freuen, wenn diese Person sich in meinen Antworten wiederfinden kann und sich vielleicht auch mit mir identifizieren kann. Falls jemand grade in der gleichen Situation steckt, wie ich damals, würde ich denen raten so viel wie möglich darüber zu reden. Ich habe damals zu wenig bis gar nicht darüber geredet, was es mir nicht leichter gemacht hat. Wenn man über jemanden reden kann, der verstorben ist und nochmal alte Geschichten auspackt, macht es auch Spaß diese Momente nochmal erleben zu dürfen.

Danke für das Interview, danke für alles!